Schenke, was du dir selbst wünschst
Wir alle wünschen uns Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe. Die Sehnsucht danach liegt in unserer menschlichen Natur. Dennoch sind wir in diesen Dingen anderen gegenüber meist eher nachlässig. Dabei kann es sehr nützlich sein auch für einen selbst, in dieser Hinsicht großzügig zu sein, denn es löst eine ganze Kette von Reaktionen aus, die schließlich wieder bei uns selbst endet.
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Als Kind fand ich es großartig, Geschenke zu bekommen. Ich war jedes Mal sehr aufgeregt und konnte es kaum erwarten, die Verpackung aufzureißen. Ein neues Spielzeug, eine Videokassette oder etwas zum Basteln – mich konnte man leicht begeistern. Selten war ich von einem Geschenk enttäuscht. Andere zu beschenken, fiel mir zwar nicht schwer, doch ich fand es wesentlich spannender, selbst Geschenke zu bekommen. Im Laufe des Erwachsenwerdens änderte sich diese Haltung allerdings. Irgendwann bemerkte ich nämlich, dass mir auch das Schenken große Freude, wenn nicht sogar eine noch größere Freude, bereitete.
Als Kind sind wir von den Menschen um uns herum abhängig. Sie haben überdies auch die Mittel, um uns Geschenke machen zu können – nicht wir. Als Erwachsene haben wir dann aber auch den Punkt erreicht, an dem wir uns selbst das beschaffen können, was wir uns wünschen. Gut möglich, dass wir zu Beginn dieser Phase erst mal nur an uns denken, aber irgendwann merken wir schließlich, dass es uns ebenfalls Freude bereitet, anderen etwas zu schenken. Und diese Geschenke an andere motiviert die Beschenkten dann oft dazu, auch uns bei der nächsten passenden Gelegenheit wieder etwas zurückzugeben.
Vielleicht ist dir nun schon der Gedanke gekommen, dass sich dieser Prozess nicht nur auf materielle Dinge anwenden lässt, sondern auch auf Zwischenmenschliches.
Die Suche im Außen
Wir alle Streben nach Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe. Es ist ein essenzieller Teil des Menschseins. Wir brauchen Anerkennung, Nähe und Zuneigung. Wir wollen Verbundenheit mit anderen Menschen spüren. Problematisch wird es allerdings, wenn wir glauben, dass wir diese Dinge nur im Außen erhalten. Damit begeben wir uns nämlich auf die Ebene des Egos. Die Idee, dass wir uns auch selbst mit Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe beschenken können, liegt dann außerhalb unserer Vorstellungskraft. Folglich fangen wir so um der Aufmerksamkeit willen an, Dinge zu sagen und zu machen, die wir sonst nicht äußern und tun würden. Oft wird dieses Verhalten von außenstehenden Personen dann als unecht, gekünstelt oder überdreht wahrgenommen. Wir fangen also an, unauthentisch zu werden.
Zudem fällt es den Menschen, die Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe ausschließlich im Außen suchen, häufig schwer, all dies auch anderen entgegenzubringen. In vielen Fällen ist sogar das Gegenteil der Fall. Schnell wird da mit einer abwertenden Bemerkung geschossen, über ein Thema sarkastisch gewitzelt oder ein offenes Gespräch mit einem zynischen Kommentar erstickt. Was sich hier zunächst als schlagfertige und intellektuell scharfsinnige Bemerkung verkleidet, ist im Kern jedoch eine versteckte Form der Aggression. Die Reaktionen darauf sind verständlich: Die Menschen im Umfeld fühlen sich von den Kommentaren gekränkt und bringen der Person folglich ebenfalls weniger Wertschätzung entgegen. Ein Teufelskreis beginnt. Im schlimmsten Fall ziehen sich nahestehende Personen letztlich ganz zurück.
Die Sache mit dem Selbstwert
Hinter solchen harten oder zynischen Fassaden verbirgt sich oft ein geringer Selbstwert. Je weniger Wert wir uns selbst beimessen, desto schwerer fällt es uns, anderen Menschen wertschätzend zu begegnen. Es scheint dann so, als ob wir das bisschen Wert, das wir selbst besitzen, auf keinen Fall anderen geben können. Doch jemand, der glaubt, dass er selbst an Wert verliert, wenn er andere wertschätzt, lebt in einer Illusion, in der Wertschätzung in ähnlicher Weise wie Geld gesehen wird: Gebe ich es aus, habe ich selbst weniger davon. Deswegen wird versucht, so viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung wie möglich zu erhalten und so wenig wie möglich davon herzugeben. Durch diese Illusion ist es für denjenigen allerdings äußerst schwer, eine vertrauensvolle und tiefe Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen, denn für echte und tiefe Beziehungen braucht es ein ausbalanciertes Verhältnis von Geben und Nehmen.
Aber nicht nur Beziehungen zu anderen Menschen können sich durch großzügiges Geben von Wertschätzung und Aufmerksamkeit verbessern. Denn bringen wir jemandem Wertschätzung entgegen, beschenken wir damit nicht nur die andere Person, sondern auch uns selbst. Wertschätzung wirkt nämlich immer in zwei Richtungen: Sie kommt dem Beschenkten zugute und stärkt gleichzeitig den eigenen Selbstwert. Eine wertschätzende Begegnung ist immer eine positive Erfahrung, auch dann, wenn wir diejenigen sind, die jemand anderen wertschätzen. Je häufiger wir das tun, desto öfter zahlen wir auf unser eigenes Selbstwert-Konto ein. Und je voller dieses Konto ist, desto einfacher fällt es uns wiederum, anderen Menschen Wertschätzung entgegenzubringen. Und je mehr Wertschätzung wir anderen geben, desto mehr werden wir nach einer gewissen Zeit auch zurückerhalten. Sobald wir also anfangen, andere wertzuschätzen, begeben wir uns in eine doppelte Aufwärtsspirale.
Die Richtung umkehren
Unser Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Wertschätzung kann sich mit der ausschließlichen Suche im Außen demnach nicht erfüllen. Auf diese Weise werden wir nie genug davon erhalten, um wirklich befriedigt zu sein. Es käme einem löchrigen Fass gleich. Erfahren wir Wertschätzung, füllt sich das Fass, und wir fühlen uns gut. Aber nach und nach leert es sich wieder, sodass wir uns erneut auf die Suche begeben müssen.
Wenn wir stattdessen aber selbst anfangen, anderen Wertschätzung zu schenken, füllen wir damit auch unser eigenes Fass. Wir stärken dadurch also nach und nach unseren Selbstwert, sodass sich immer mehr Löcher in unserem Fass schließen. Zwar wird natürlich das eine oder andere Leck bleiben, das macht aber nichts. Das Ziel sollte ja nicht sein, nie wieder Aufmerksamkeit und Wertschätzung von anderen Menschen zu benötigen. Aber wenn unser Selbstwert steigt, sich unser Fass repariert und wir es regelmäßig mit einer wertschätzenden Haltung uns selbst gegenüber füllen, müssen wir weniger vehement danach im Außen suchen. Das macht uns entspannter und gelassener, sodass wir uns seltener verbiegen, um anderen zu gefallen. Wir können uns selbst besser treu bleiben und müssen nicht mehr vom eigenen Weg abweichen.
Wenn du magst, reflektiere einen Moment, ob du das, was du selbst gerne von anderen Menschen erhalten möchtest, auch den Menschen in deinem Umfeld gibst. Falls nicht oder nicht genug, beginne, anderen das entgegenzubringen, was du dir selbst wünschst. Achte aber darauf, es nicht mit der Erwartung zu tun, es von anderen auch wieder zurückzuerhalten. Übe dich darin, es ohne besondere Erwartungshaltung zu verschenken. Du wirst erstaunt sein, was sich alles in dir und in deinem Umfeld verändert.
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