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Corona: Eine Zeit zum Reflektieren, Forschen und Wachsen

Unser soziales Leben wird gerade von einem Thema beherrscht: Corona. Doch inwieweit wir auch unser Innenleben davon beeinflussen lassen, hängt von uns ab. Wie können wir diese Situation zur Reflexion nutzen, und was können wir tun, um möglichst gelassen und zentriert durch diese Zeit zu gehen?

6. April 2020

Ein Virus hat die Politik veranlasst, den gesellschaftlichen Pauseknopf zu drücken, zumindest für die meisten von uns. Bei allen Menschen, die jetzt gerade mehr zu tun haben als sonst, möchte ich mich an dieser Stelle von Herzen für ihre Arbeit bedanken! Dieser weltweite Ausnahmezustand fordert gerade ganz besonders unser Bewusstsein. Um mental wach zu bleiben, ist es äußerst wichtig, sich nicht von der kollektiven Panik packen zu lassen. Denn sobald wir uns emotional von der globalen Angst mitreißen lassen, ist klares und ruhiges Denken nicht mehr möglich. Das ist bei der Menge an Nachrichten und Informationen, die täglich auf uns einprasseln, allerdings gar nicht so einfach. Daher gleich die erste Frage:

Wie konsumiere ich Nachrichten?

Lesen wir gleich nach dem Aufwachen noch im Bett die ersten Schlagzeilen? Holen wir uns jede Stunde die neuesten Nachrichten auf unseren Bildschirm? Müssen die Push-Notifications unserer News-Apps, die uns ungefragt mit neuen Meldungen konfrontieren, unbedingt aktiviert sein? Oder ertrinken wir dadurch einfach nur in Informationen?

Ich jedenfalls glaube nicht, dass uns das ständige Informieren guttut. Im Gegenteil, denn so sind wir mit unserer Aufmerksamkeit dauernd im Außen. Wir müssen Informationen über Informationen verarbeiten und können mental deshalb gar nicht mehr wirklich zur Ruhe kommen. Mit jeder Nachricht, die wir konsumieren, klinken wir uns immer wieder neu in die kollektiven Emotionen ein. Zwar behaupten wir von uns selbst, dass wir Angst nicht mögen, doch es gibt dennoch einen Teil in uns, der Angst toll findet: unser Ego. Das Ego wird unter anderem größer, je mehr Angst wir haben, weshalb es uns antreibt, möglichst intensiv die Nachrichten zu verfolgen. Je dramatischer die Meldungen sind, desto stärker ist die Erregung des Egos. Wenn du magst, fühl doch beim nächsten Mal, wenn du Nachrichten schaust, genau hin, was sich in dir dabei tut und was du fühlst. Bleibst du klar, oder steigt eine unruhige Energie in dir auf? Das Ego liebt diese emotionale Unruhe – in ihr kann es sich am besten ausbreiten.

Das heißt natürlich nicht, dass wir uns gar nicht mehr informieren sollen. Aber um einen klaren Kopf zu behalten, ist es ratsam, Nachrichten bewusst zu konsumieren. Dazu können wir uns zum Beispiel fixe Zeiten setzen, in denen wir uns mit den neuen Meldungen befassen. So stellen wir sicher, dass wir nicht den ganzen Tag mit dem Aufnehmen und Verarbeiten von Meldungen beschäftigt sind.

Außerdem sollten wir möglichst nur neutral formulierte Nachrichten schauen bzw. lesen, die manchmal gar nicht so einfach zu finden sind. Denn leider werden viele Schlagzeilen bewusst emotional aufgeladen, weil mit Nachrichten eben Geld verdient wird. Und eine emotionale Headline bringt oft mehr Klicks, also mehr Website-Besucher und damit mehr Werbeeinnahmen als eine sachlich formulierte. Man erkennt solche Meldungen oft an Adjektiven wie „verheerend“, „grausam“, „dramatisch“, „drastisch“ etc. Diese Art der Berichterstattung erzeugt viel schneller und intensiver negative Emotionen in uns als eine objektive Berichterstattung.

Über was spreche ich?

Gespräche können unterstützen und stärken, inspirieren und motivieren. Sie können aber auch auslaugen und lähmen, Angst schüren und Verunsicherung erzeugen. Schau dir also deine Gespräche ganz bewusst an. Was füllt meine aktuellen Gespräche? Was erzähle ich? Was höre ich mir an? Wie fühle ich mich dabei? Spreche ich gerne über Nachrichten und wenn ja, warum? Steigt in mir dabei wieder diese unruhige Energie auf, die mein Ego so liebt? Rede ich mit Familie, Freunden und Kollegen immer wieder über dieselben Neuigkeiten? Kaue ich immer wieder alles neu durch? Kann ich andere Meinungen zulassen, oder muss ich alle von meiner überzeugen? Spreche ich mehr, oder höre ich mehr zu? Interessiert es mich, wie andere mit der Situation umgehen, oder will ich einfach nur von mir erzählen? Bin ich gewillt, mir die Geschichte der corona-positiv-getesteten Schwägerin der Freundin der Nachbarin anzuhören – also Geschichten von Leuten, die ich gar nicht kenne? Und falls ja, warum? Geht es mir nach einem Gespräch besser oder schlechter? Fühle ich mich stärker oder schwächer?

Gerade in dieser Zeit zeigt sich, wer Unterstützung ist und wer nicht. Auch könnte man sich einmal fragen, ob man selbst Unterstützung für andere ist oder nur von anderen unterstützt werden will, ob man selbst auch mal Hilfe annehmen kann oder sich stets für andere aufopfert, und ob man auch mal sagen kann, dass man darüber gerade nicht sprechen will oder eher jedes Gesprächsthema zulässt, unabhängig davon, ob es einem guttut oder nicht.

Was macht das gerade mit mir?

Diese Frage ist besonders relevant. Ich stelle sie mir regelmäßig – während Gesprächen, während ich Nachrichten schaue, wenn ich leer gekaufte Regale sehe, wenn ich Theorien lese, was noch alles passieren wird, wenn ich höre, dass Bekannte corona-positiv getestet wurden, …

Was macht das gerade mit mir? – Eine wunderbare Frage zum Reflektieren. So habe ich zum Beispiel erkannt, dass mir dauernde Gespräche über das Thema nicht guttun, vor allem dann nicht, wenn mein Gegenüber zu einem Nachrichtensprecher wird und mir von allen neuen Meldungen erzählen will, die ich verpasst habe. Da braucht es von mir dann eine liebevolle Kommunikation, mit der ich mich mitteile, dass ich über dieses Thema gerade lieber nicht sprechen möchte. Ich habe außerdem festgestellt, dass leere Ladenregale ein seltsames Gefühl in mir auslösen, das mich dazu verleitet, selbst lieber etwas mehr einzukaufen. Da braucht es Aufmerksamkeit und Bedacht, um diesem Kaufdrang entgegenzuwirken. Mir wurde dadurch aber auch klar, wie Leute zu Hamsterkäufern werden: Ihnen fehlt es an dieser Stelle womöglich an Aufmerksamkeit. Das ließ mich verständnisvoller ihnen gegenüber sein. Mir fiel anfangs außerdem auf, dass Menschen mit Mundschutzmasken ein beklemmendes Gefühl in mir auslösten, ein Gefühl, das schnell in ein Beurteilen schwenkte. Hier übte ich mich in Akzeptanz. Und genau das ist es, was jetzt wohl gefragt ist: Akzeptanz. Uns bleibt gerade ohnehin nichts anderes übrig, als uns in Akzeptanz zu üben, denn wir können die Situation da draußen gerade eh nicht ändern. Was wir aber können, ist, auf uns und unsere Mitmenschen zu achten.

Ich habe das Gefühl, durch die aktuelle Situation verdichtet sich gerade alles. In dieser Dichte können wir erkennen, an welchen Stellen wir noch lernen können, wo wir nicht gut aufgestellt sind, und worin wir uns weiter in Achtsamkeit üben dürfen. Kurzum, in Situationen wie diesen können wir erfahren, wie stabil wir sind.

Und als ich mir mal wieder die Frage stellte, was macht das gerade mit mir, fiel mir auf, dass ich zwar gerade ein paar sehr einschneidende Einschränkungen in Kauf nehmen muss, aber im Vergleich zu Menschen in anderen Ländern noch immer ein Leben in Fülle führe. In anderen Ländern herrscht Krieg, gibt es kein fließendes Wasser, keinen Strom, keine Gesundheitsversorgung etc. Menschen aus diesen Regionen würden es samt der aktuellen Einschränkungen sicherlich sehr genießen, ein paar Wochen in meinem gemütlichen Heim zu verbringen.

Wenn ich das mediale Rauschen ausschalte und mich wirklich nur auf mein Inneres konzentriere, dann merke ich, dass da eine große Ruhe ist. Und so habe ich meinen persönlichen Corona-Regler deutlich runtergedreht – nicht, um alles da draußen zu ignorieren, sondern es jetzt eher wie eine Hintergrundmusik wahrzunehmen anstatt wie stampfend laute Technobässe, nicht, um das ganze Geschehen auszublenden, sondern es aus einer interessierten Distanz heraus zu betrachten, statt mich von dem emotionalen Strudel mitreißen zu lassen.

Anhang: Was kann ich Konkretes tun, wenn mich diese Situation stark belastet?

Wie bereits erwähnt ist es eine gute Idee, Nachrichten bewusster zu konsumieren, auch mal über andere Themen als Corona zu sprechen und sich immer wieder zu fragen, was das gerade mit einem macht. Außerdem sind zusätzlich folgende drei Übungen ein gutes Werkzeug, um die Perspektive zu ändern und damit die Belastung zu verringern:

Übung Nr. 1

Schalte nach dem Aufwachen nicht sofort dein Handy ein, sondern halte jeden Morgen einen Moment inne und frage dich: Auf was freue ich mich heute? Suche drei Dinge, auf die du dich an diesem Tag freust. Das kann alles Mögliche sein, auch wenn es noch so klein ist, zum Beispiel: mit einer Freundin skypen, ein neues Gericht zum ersten mal kochen, ein Projekt abschließen, ein neues Projekt anfangen, eine halbe Stunde Yoga machen, die nächste Lektion im Sprachkurs durchgehen, eine Tasse Tee trinken etc. Du wirst immer drei Dinge finden, wenn du nur lange genug nachdenkst 😉

Übung Nr. 2

Die zweite Übung besteht darin, anderen etwas Gutes zu tun. Auch hier kann es sich um alles Mögliche handeln. Zum Beispiel könnte man eine Nachricht an einen Freund senden, in der man ihm einen wundervollen Tag wünscht oder ihm sagt, wie sehr man die Freundschaft mit ihm schätzt. Oder jemanden, der sich technisch nicht so gut auskennt, telefonisch beim Einrichten von Skype helfen. Oder für die Großeltern Dinge online bestellen, damit sie nicht vor die Tür müssen. Es können auch ganz simple und spontane Gesten sein: Ich stand letztens zum Beispiel an der Schlange im Bioladen. Die Kundin vor mir sah meine vier Dosen gehackte Tomaten auf dem Band und fragte mich, wo ich die denn her hätte, sie hätte sie nicht gefunden. Ich erklärte ihr, wo die Dosen neuerdings stehen, und hab ihr kurzerhand eine meiner Dosen gegeben – eine kleine Geste, die sie sehr freute. Und ihre Freude sprang sofort auf mich über.

Sollte sich an einem Tag mal keine Gelegenheit dazu ergeben, können wir uns auch selbst etwas Gutes tun, zum Beispiel, indem wir uns ein Vollbad einlassen, uns Zeit nehmen, um uns ein gesundes Essen zuzubereiten, auf Youtube nach einem Workout suchen und mitmachen, meditieren etc.

Übung Nr. 3

Die dritte Übung findet jeden Abend vor dem Einschlafen statt. Nimm dir wieder einen Moment Zeit und überlege dir, wofür du heute dankbar bist. Das kann etwas sein, was wir heute erlebt haben, oder auch Dinge, die wir normalerweise für selbstverständlich halten: ein inspirierendes Gespräch, unsere Gesundheit, eine funktionierende Waschmaschine, unsere eigene Stärke, mit der wir auch große Herausforderungen meistern, vielleicht unser Glaube an etwas Höheres und daran, dass alles, was passiert, einen Sinn hat, die Sonne, die heute so schön hell und warm schien, das leckere Essen, das wir uns heute gekocht haben, unsere schöne Wohnung, ein kuscheliges Bett etc.

Balance und Stabilität.

Diese drei Übungen richten unseren Fokus neu aus. Sie ziehen unsere Aufmerksamkeit auf das Gute in unserem Leben. Sie lenken den Blick auf das Positive. Damit fördern sie unsere Balance und Stabilität. Und genau das braucht es jetzt.

Für alle, die jetzt Hilfe benötigen: kostenloses Coaching

Dich belastet die aktuelle Situation gerade sehr, und du wünschst dir Unterstützung? Bis Ende April biete ich kostenlose Online-Coaching-Sessions an. Die Voraussetzung dafür ist, dass dein Coaching-Thema in irgendeiner Form mit der momentanen Corona-Situation zusammenhängt. Die Coachings sind zu 100 Prozent kostenlos, und ich werde auch nicht versuchen, dir irgendetwas zu verkaufen. Falls du Interesse hast, kontaktiere mich gerne über das Formular oder reserviere ein Vorgespräch.

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